DIE DRITTE IM BUNDE

 

Seit dem 10. September ist das Königreich Meltanien Mitglied der Intesa Cordiale. Das Magazine Imperiale will das neue Mitglied der Intesa-Staatenfamilie mit einem besonderen Artikel würdigen. Lernen sie auch im Magazine Imperiale die dritte Perle am Medianik kennen.

SOMMER, SONNE, SIESTA

35° Celsius im Schatten. Am Strand laufen, leicht bekleidet, Tausende von Touristen vorbei, in der Raucherecke konsumieren einige ihren Tabak und ihr Cannabis. Siesta-Zeit. Das ist Meltania. Gegenüber steht eine Kirche, mehrere Dutzend Meter hoch, wirft sie ihren Schatten auf die breite Strasse. Gläubige Christen, mit langer Hose und einer Entschlossenheit im Gesicht eilen in das kühle Kirchenschiff – unter ihnen auch ein schwules Pärchen. Nach außen dringen die Töne eines Messgesanges. Auch das ist Meltania. Kaum ein Land steht wahrscheinlich so im Widerspruch zwischen Tradition, Kirche und Monarchie auf der einen, Gelassenheit, Party und Moderne auf der anderen Seite. Aber irgendwie kommen die Menschen damit zurecht. Kein anderes Land hat es geschafft, die Differenzen zwischen Tradition und Moderne so zu verwischen wie Meltania. Religion und Königtum sind hier keine Dinge, denen längst ausgestorbene Generationen nachtrauern. Nein, sie sind eingebettet in eine Welt der Moderne. Der junge Geschäftsmann von heute geht frühmorgens in die Kirche, bevor er sich in den Arbeitsalltag stürzt. Zum Entspannen besucht er eine der zahlreichen Diskotheken an der Costa del Sol. Diese unique Diversität aber, ist bedingt durch viele verschiedene Faktoren: unsere Geschichte, unseren Charakter, aber auch die Geographie: Meltanía hat eine unglaublich lange Küstenlinie, an welcher sich Touristen wie einst Fische in den Partyhochburgen tummeln. Und doch geht die Kultur dabei nicht verloren.

„Wir haben etwas einzigartiges geschaffen. Die Generation der 70’er hat den Aufbruch erlebt, und während wir die Moderne suchten, brauchten wir etwas, woran wir uns festhalten konnten. Dies war, was uns auch während der Repression Hilfe gegeben hat: Die Kirche und das alte Meltanía. Herausgekommen ist etwas, was man nicht mit Worten beschreiben kann – typisch meltanisch eben.“

– Primero, meltanischer Fussballnationalspieler

DER TOURISMUS ALS MAGNET

Eben diese meltanische Kultur zeichnet unser Land aus, und die Gelassenheit, welche unsere Landsmänner und –frauen besitzen, ist ein weiteres Charakteristikum. Ob es wohl daran liegt, dass unsere Strände und Hotels Jahr für Jahr von Abermillionen ausländischen Touristen besetzt werden? Sogar für uns Meltanier ist unser eigenes Land das Reiseziel Nummer Eins. Aber das war nicht immer so. Der Tourismus hat sich erst seit dem Zusammenbruch der Diktatur entwickelt, nachdem er im Bürgerkrieg komplett zusammengebrochen ist und auch in der Diktatur – verständlicherweise – keinen nennenswerten Aufschwung erlebt hat. Die Regierungen setzten auf massive Werbekampagnen und eine Offenheit, die man sonst selten findet. Die meltanischen Eigenarten, eben diese Verquickung von Tradition und Moderne, wurden als Angelpunkt jeglicher Werbestrategien wahrgenommen. Mittlerweile ist die Costa del Sol weltbekannt für ihre zahllosen Discotheken, Clubs und Bars. Aber auch hier gibt es den Gegensatz: In der Altstadt von Capitalia beispielsweise gibt es ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. Zeitgleich sind Städte entstanden, die ohne den Tourismus gar nicht über die 2.000-Einwohner-Marke gekommen wären. Zu nennen ist hier insbesondere das „Band der Bettenburgen“, welches sich von der Grenze zu Dionysos‘ über Arredonde zu seinem Kristallisationspunkt Videres erstreckt, weiter bis nach Vilanova. Die ganze torderanische Küste eben. Der billige Pauschaltourismus, der hier vorherrscht, ist jedoch nicht jedermanns Sache. Im Winter sind diese Städte ausgestorben, die Autobahn sogar geschlossen. Dann verlagert sich der Tourismus in den Süden, nach Vejar oder Cranada. Hier, direkt am Medianik gelegen, schmeichlerisch auch „Costa de los Playas“ genannt (Küste der Strände), entwickelt sich gerade ein zweites Band der Touristenhochburgen. Obwohl es im Sommer zu warm sein scheint, ist hier ein ganzjähriger Betrieb. „Als ich vor zehn Jahren angefangen habe, hieß es, ich bekomme nur befristete Verträge für den Sommer, je nach Belegung der Hotels. Heute arbeite ich in einem 1000-Zimmer-Monstrum auf Vollzeit und das ganze Jahr durch“, sagt uns ein anonymer Hotelmitarbeiter in Cranada.

IDYLLE UND SEELENURLAUB

Es ist interessant, dass dieser Trend zum Massentourismus nicht durch einzelne „grüne“ Bewegungen aufgehalten wird. Es gibt allerdings zahlreiche Naturschutzreservate und weniger frequentierte Plätze. So wurde sehr oft befürchtet, dass die Gegend um Roda de la Recape sich an der Südküste der Halbinsel zu einem gewaltigen Touristenslum entwickeln würde. Der Ausblick auf die Megalopolis ist perfekt, und die Temperaturen sind nicht zu warm, nicht zu kalt – für eine 8-monatige Saison ideal. Doch dazu ist es nie gekommen. Zum einen legen die Neuinvestoren nicht in kaum erschlossene, spärlich angeschlossene Gebiete an, zum anderen ist die Attraktivität der drei Hotelballungszentren derart hoch, dass quasi jede Massentourismusinvestition dort getätigt wird. Nichts destotrotz wurde das Gebiet um Roda de la Recape aufgrund seiner einzigartigen Schönheit an den Küsten zum „Kulturerbe“ erklärt.

Aber auch dort findet sich kein alternativer Tourismus. Der Grund ist sehr einfach: Während sich die Pauschaltouristen allesamt an den Stränden abladen, reist der umweltbewusste Pilger auf der Suche nach Relax in das Landesinnere. Übrigens 63% der Bevölkerung wohnen an der Küste. Sobald man die Autopista bei Pliego im Norden Farajáns verlässt, hat man eine Auswahl an verschiedensten Naturpfaden durch die goldenen Ebenen, auch Kornspeicher Meltanias bezeichnet. In dieser Llanura de Oro (Goldene Tiefebene) ist die Infrastruktur so ausgebaut, dass der rastlose Wanderer alle Dutzend Kilometer eine Übernachtungsstätte findet. Das Konzept hier ist eindeutig Qualität, nicht Quantität. Nichts desto trotz gibt es auch hier kleinere Herbergen, und von Pliego werden Touren in die wunderschönen Panoramen der Berge unternommen. Berühmt ist auch der Pilgerweg zwischen dem xeruskischen Elantxobe über die Berge nach Pliego und La Luisiana. Jährlich wandern 70‘000 Menschen auf diesem Weg. Auch dies ist eine Verbindung von katholischer Tradition und neuzeitlicher Moderne, wenn wir sehen, wie Jugendliche mit MP3-Playern und Fahrrädern diesen Weg abfahren – aber immer mit dem Ziel vor Augen, immer mit dem Wissen des Hintergrundes. Aber wenden wir uns dem Ausgangsort dieses Pilgerweges zu – der liegt nämlich im bereits erwähnten Land der Xeruskadi.

3 KULTUREN, EINE NATION

Die Xeruskadi werden von den Küstenbewohnern leicht spöttisch „Bergvölkchen“ genannt, für die Unwissenden sind sie eine Minderheit, die nicht auffällt, die keine Kultur mehr hat sondern untergegangen ist im Strom der assimilierten Meltanier. Aber das stimmt nicht. Sobald jemand nach Arrigoti oder Utxaso kommt, wird er eines besseren belehrt. Hier spricht man kein Meltanisch, hier spricht man Xeruskisch. Obwohl in dem mittlerweile etwas internationaleren, etwas größeren Zubieta Meltanisch immer mehr an Bedeutung gewinnt, und eigentlich jeder Xeruske auch diese Sprache als Zweitsprache fließend kann – in den Zentren der xeruskischen Kultur sind es die Touristen und Meltanier, die sich anpassen müssen. Aber auch abgesehen von der Sprache, ist es die Ländlichkeit, die überrascht – in den Städten treiben Hirten ihre Ziegen umher, und auf den Wochenmärkten wird noch frischer Ziegenkäse feilgeboten. Das Leben hier ist ruhig, aber langsam. Wer noch am ehesten das Meltania vor der Moderne ansehen will, der sollte dies hier tun. Die Urdörfer, oft noch aus Holz und Reisig gebaut, sind nichts für Touristen. Fremdlinge, sofern sie denn in größeren Scharen auftreten, werden einfach vertrieben. Aber doch gelten die Xeruskadi als gastfreundlich und intelligent. Vor allem aber katholisch. Sie sind noch der gläubigste Teil, und vor allem hat die Kirche hier ihr Fundament verankert. So war dem Victor-Regime das Xeruskenland doppelt ein Dorn im Auge: Die Kultur, aber auch die Religionstreue ließen die Region fremdartig erscheinen.

Es gibt noch eine andere Region. Sie ist groß und generiert über 40 Prozent des meltanischen BIP. Sie heißt Tordera und wird oft nicht mehr als solche wahrgenommen, denn an ihren Grenzen ist der Übergang fließend. Aber tatsächlich sind auch die Torderaner ein eigenes Volk, denn ihre Sprache – geringschätzig auch als Dialekt bezeichnet – unterscheidet sich. Die Haupstadt Torderas, Sant Andreu, ist zum Sinnbild der Moderne, des Aufschwunges geworden. Kaum eine Stadt boomt so grün wie Sant Andreu. Während die Konglomerate an der Costa del Sol sich mit immer mehr Problemen konfrontiert sehen und die Stadt ungeheure Ausmaße annimmt – ist ausgerechnet die Hauptstadt der Moderne mit hohen Wachstumsraten bei vergleichsweise wenig Problemen gesegnet. Die Stadt ist vor allem eines: reich. Schon früh im 19. Jahrhundert bildeten sich in Sant Andreu als Zentrum der Industrie auch demokratische Bewegungen, und vor allem war Tordera zu dieser Zeit der einzige wirtschaftlich starke Flächenstaat Meltanías. Der Hort der meltanischen Demokratie nutzt heute seine Ersparnisse, um die Stadt zu verjüngen und von der Industrie, welche immer noch einen überdurchschnittlich großen Teil der Arbeitsplätze stellt (53%), auf die Dienstleistungen umzusatteln.

Das Verhältnis der beiden Stämme zum Königreich war nicht immer einfach. Obwohl Tordera lange Zeit dominierend war im Staatsgefüge des 19. Jahrhunderts, hat es diese dominante Position schon längst eingebüßt – von Xeruskadi gar nicht zu reden. Heute, im Zeitalter der Globalisierung, müssen einzelne Landesteile umso mehr zusammenrücken. Aber auch das ist spezifisch für Meltania – so wie Tradition und Moderne sich ergänzen, kohabitieren auch die unterschiedlichen Kulturen miteinander. Irgendwie geht das schon. Man ist in erster Linie Torderaner, aber in zweiter auch Meltaníer. Fußball eint genauso. Irgendwas zwischen eigenem Völkchen und großer Nation. Und da steht auch der Intesa-Beitritt nicht im Weg, denn die Meltanier sind offen für neues, und wissen dabei ihr eigenes zu wahren.

MEGALOPOLIS IM UMBRUCH

Zurück an der Costa del Sol: 9,2 Millionen wohnen, arbeiten, leben hier. Die reichste Region Meltanias generiert einen Wohlstand, der Bürger aus den kleinsten Dörfern wie aus den Großstädten anlockt. Das Wachstum seit den 70’ern ist exponentiell, und doch tuen sich Probleme auf: Müll, Verkehr, Armut. Eine bewusste Trendumkehr wird versucht. Aber trotzdem gewinnt dieses wirtschaftliche Ballungszentrum – bestehend aus 23 Städten und 56 Gemeinden – eine große Bedeutung. Ungeachtet aller Probleme ist das Stadtviertel Peradad in Capitalia Sinnbild der Moderne: Eine Skyline mit teilweise 300 Meter hohen Türmen, die höchsten Immobilienpreise, internationale Bankensitze. Städte wie Faraján, das Agglomerationszentrum Castilblancos, folgen diesem Beispiel und legen sich ein eigenes Dienstleistungszentrum zu.

Aber das wahrscheinlich einprägendste Bild der heterogenen meltanischen Kultur findet man auf dem Umbruch zwischen Peradad und der Altstadt: Eine Luxuseinkaufsmeile aus Peradad mündet in der Altstadt und endet über einer Subta-Station auf einem Kirchenvorplatz. Die Kirche wirft ihren Schatten auf das Geschäftsviertel und von der Ferne teilt sich der Kirchturm mit den Bürohochhäusern die Skyline. Das ist Meltania – Tradition und Moderne.